Mädchen müssen die besseren Jungs sein: Wie viel Zukunft hat die U17-Bundesliga noch?

Der DFB glaubt nicht mehr an die Leistungsfähigkeit der B-Juniorinnen-Bundesliga. Hertha 03 und Viktoria 89 würden eine Abschaffung der höchsten weiblichen Nachwuchsspielklasse beklagen – der 1. FC Union dagegen will die Liga ohnehin verlassen. Wie geht es weiter? 

Die Sichtbarkeit von deutschen Fußballerinnen steigt messbar. Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Mittwoch bei einer Veranstaltung verkündete, seien TV-Reichweiten von Nationalmannschaft und Bundesliga im vergangenen Jahr um fast 60 Prozent gestiegen – und bei der Expansion in den sozialen Medien soll die Steigerung sogar 186 Prozent betragen mit 335 Millionen Aufrufen auf Instagram, Facebook & Co. Profi-Fußballerinnen sind heute also längst medienwirksame Stars.

Bei den Stars von morgen dagegen gibt es zurzeit große Fragezeichen. Denn die B-Juniorinnen-Bundesliga (BJBL), seit ihrer Gründung 2012 die höchste Nachwuchsspielklasse im Frauenbereich, steht vor dem Aus. Der DFB hat einen Beschluss gefasst: Die U17-Juniorinnen-Bundesliga soll zur Saison 2024/25 abgeschafft werden, weil sie zu wenige Talente hervorbringe, besonders Nationalspielerinnen. Der Aufwand sei unverhältnismäßig groß.

Die Schlussfolgerung: Die Bundesliga für die unter 17-jährigen Mädchen soll abgeschafft werden. Der Plan: Um weiterhin einen leistungsfördernden Wettbewerb zu haben, sollten die jungen Talente lieber in regionalen oder lokalen Ligen gegen gleichstarke Jungen-Teams antreten.

Das gefällt nicht jedem. „Man sagt: Mädchen müssen die besseren Jungs sein, um in ihrer Sportart anerkannt zu werden“, sagt Torsten Holtfreter, U17-Teamleiter vom FC Hertha 03. Die Zehlendorfer, aktuell neben dem 1. FC Union der einzige Bundesliga-Starter aus Berlin, belegen Platz drei in der Bundesliga Nord/Nordost. Dass sich die Mädchen nun bald im Jungenfußball durchsetzen sollen, sieht Holtfreter kritisch. Ihm zufolge würden dadurch einzelne Mädchen als „Leuchttürme“ hervorgehen, doch: „Ohne eine Breite kann ich auch keine Spitze erreichen.“

Auch beim FC Viktoria 89 ist man von dem Vorhaben des DFB wenig begeistert. Die Tempelhofer stehen als Berliner Meister kurz vor dem Aufstieg in eben jene Bundesliga, die es bald nicht mehr geben soll. Trainer Hans-Georg Danelski erklärt: „Für mich ist das ein Irrweg.“ Der Coach hat zwar auch schon Freundschaftsspiele gegen Jungs in den Trainingsplan eingebaut. „Das halte ich auch für sinnvoll, sich gegen gleichstarke Jungen-Teams zu messen. Aber die ganze Saison gegen körperlich stärkere Mannschaften zu spielen, und ein Match nach dem anderen zu verlieren, hemmt die Motivation der jungen Mädchen“, gibt Danelski zu bedenken.

In Köpenick blickt man differenzierter auf das „schwierige Thema“. Anja Matthes, seit drei Jahren Bundesliga-Trainerin beim 1. FC Union, ist zwar auch ein Fan der Liga und im Kern nicht für ihre Abschaffung: „Für die Mädels ist das was richtig Cooles. Der Großteil wird zwar kein Profi, aber sie reisen umher und können sagen, sie haben mal Bundesliga gespielt.“ Doch für derlei Romantik ist kein Platz beim DFB, er braucht nun mal potenzielle Weltmeisterinnen. Das weiß auch Anja Matthes, die in der jetzigen Beschaffenheit der BJBL selbst Schwächen sieht: „Die sogenannten A-Plus-Spielerinnen brauchen diese Liga tatsächlich nicht als Sprungbrett.“ Deswegen will der Klub die Liga sogar unabhängig vom DFB-Vorhaben verlassen und prüft bereits die Möglichkeit, in männlichen Juniorenspielklassen antreten zu können. „Turbine Potsdam, Jena oder Leipzig machen das schon und wir wollen diesen Weg mit Union auch gehen. Wir glauben, dass der Sprung in den Frauenbereich dann einfacher wird für die Mädchen.“

Ähnlich wie der DFB. Noch aber warten die Vereine auf Neuig­keiten rund um die Debatte, in der man das Gefühl habe, dass über die Köpfe hinweg entschieden wird. Manche Teams machen sich schon Gedanken über eine gemeinsame Zukunft. Torsten Holtfreter verrät: „Wir führen untereinander Gespräche, um eine Alternative zu finden.“ 

Text; Lilly Purtz, Steven Wiesner / Titelfoto: Torsten Schüler

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