Im Schlepptau von Trainer Frank Pagelsdorf

Der Stern von Sergej Barbarez ging beim 1. FC Union auf

Autor: Matze Koch

Sein Haar ist schütter geworden, der Bart ergraut. Sergej Barbarez ist inzwischen 48 Jahre alt. Die Anhänger des 1. FC Union, die den Angreifer zwischen 1993 und 1996 in Köpenick erlebten, werden denken: Man, wie die Zeit vergeht.

Vor 27 Jahren schlägt Barbarez als schmaler Bursche bei den Eisernen auf. Er ist 21 Jahre jung. Der Kicker aus Bosnien-Herzegowina hat die erste Profistation in Deutschland hinter sich. Dass es der Zweitligist Hannover 96 ist, kommt einem Zufall gleich. In Jugoslawien beginnt der Bürgerkrieg. Deshalb bleibt der in Mostar geborene Fußballer vom Erstligisten Velez 1991 lieber im sicheren Niedersachsen, wo er beim Onkel die Ferien verbringt.

Der Familienangehörige bringt seinen Neffen Anfang 1992 über ein Probetraining bei den Amateuren den 96er unter. Die werden zu diesem Zeitpunkt von Frank Pagelsdorf trainiert. Der frühere Profi von Hannover, Borussia Dortmund und Arminia Bielefeld wird in der Karriere von Barbarez noch eine sehr wichtige Rolle spielen.

Torgefährlicher Offensivmann: Sergej Barbarez (am Ball) im März 1996 im Regionalliga-Spiel gegen Dynamo Dresden (links Ronny Ernst). Fotos: imago images/contrast (2)/Koch/Djorovic
Vorzügliche Technik, tolle Ballbehandlung: Sergej Barbarez im September 1995. Fotos: imago images/contrast (2)/Koch/Djorovic

1992/93 absolviert Barbarez in Hannover allerdings erst einmal unter Chefcoach Eberhard Vogel in der ersten Mannschaft 18 Einsätze in der 2. Bundesliga. In den Partien beim FC Carl Zeiss Jena (1:1) und zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf (2:0) trifft er jeweils einmal. Am Saisonende hat Hannover allerdings keine Verwendung mehr für den Stürmer.

Barbarez wechselt in den Osten Berlins zu Union. Dort trifft er Pagelsdorf erstmals wieder, der gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit als Cheftrainer sportlich den Aufstieg in die 2. Bundesliga gepackt hat. Auch Barbarez freute sich darauf, weiter im Unterhaus auflaufen zu können.

Die Aufstiegsfeierlichkeiten liegen wenige Tage zurück, als in den Medien Gerüchte über eine gefälschte Bankbürgschaft die Runde machen. Das Ende vom Lied ist, dass anstelle von Union die in der Aufstiegsrunde eigentlich unterlegenen Tennis Borussen in die 2. Bundesliga hochrücken dürfen. Der DFB verweigert Union zuvor die Lizenz. Einen Monat lang versuchen die Wuhlheider, sportgerichtlich zu intervenieren. Vergeblich.

Das hat auch für den jungen Barbarez Konsequenzen. „Eine Woche vor dem Punktspielstart haben wir erfahren, dass wir wegen des Lizenz-Entzuges doch nicht aufsteigen dürfen“, erinnert sich Barbarez. Er bleibt dennoch bei den Eisernen, sogar für drei Jahre. Und dies, obwohl es wegen der wirtschaftlichen Probleme immer wieder sportliche Schwierigkeiten gibt.

Dennoch entwickelt sich Barbarez zu einem torgefährlichen Offensivmann. 1993/94 gelingen ihm 15 Punktspieltreffer in der damals drittklassigen NOFV-Oberliga Mitte. Auch in der ebenso drittklassigen Regionalliga Nordost zeigt er sein Potenzial: 1994/95 schießt er 14 Tore, 1995/96 sogar 17.
Barbarez ist stets Stammspieler. Er kommt bei den Fans an. 1996 wählen ihn die Anhänger mit 40 Prozent der abgegebenen Stimmen vor Goran Markov und Oskar Kosche zum „Union-Fußballer des Jahres“. Der Aufstieg in die 2. Liga bleibt Barbarez aberstets verwehrt.

„1994 wurden wir wieder Meister, durften aber noch nicht einmal an der Aufstiegsrunde teilnehmen. Es ist nicht alles rund gelaufen, aber sportlich war es für mich sensationell“, blickt Barbarez zurück. „Der Verein war so oft tot und trotzdem haben wir weitergespielt. Die Fans sind weiter zu den Spielen gekommen und haben auch in den folgenden Jahren so viele tolle Aktionen gestartet. Das war Wahnsinn.“

Kapitän der Nationalmannschaft von Bosnien-Herzegowina: Sergej Barbarez (hinten rechts) im Oktober 2005. Vorn links: Hasan Salihamidzic, der heutige Sportdirektor des FC Bayern München. Fotos: imago images/contrast (2)/Koch/Djorovic
Comeback im Union-Trikot: Sergej Barbarez am 20. Januar 2012 beim Traditionsturnier um den FlexStrom-Cup in der Max-Schmeling-Halle gegen Werder Bremen (links Frank Ordenewitz). Fotos: imago images/contrast (2)/Koch/Djorovic

Die meisten Union-Kicker, die den Verein verlassen, werden nicht unbedingt besser. Barbarez schon. 1996 folgt er seinem „Lehrmeister“ Frank Pagelsdorf erneut, diesmal zu Hansa Rostock. Aus Barbarez wird nach und nach ein Bundesligastar. Für den FC Hansa (1996 bis 1998), Borussia Dortmund (1998 bis 2000), den Hamburger SV (2000 bis 2006) und Bayer Leverkusen (2006 bis zum Karriere-Ende 2008) absolvierte er insgesamt 330 Erstligaspiele. 95 Treffer und 71 Vorlagen schmücken diese Bilanz. Beim HSV trifft er auch Pagelsdorf wieder. Hinzu kommen 47 Länderspiele mit 17 Toren für Bosnien-Herzegowina. 2005 wird in seiner Geburtsstadt Mostar – auch wegen seines sozialen Engagements – eine Straße nach ihm benannt.

Die drei Serien bei Union will Barbarez, der in Hamburg heimisch geworden ist, keinesfalls missen. „Für mich waren es sehr lehrreiche Jahre. Es waren entscheidende Schritte auf der Treppe meiner Karriere“, sagt Barbarez. „Durch Union ist mein Name in Deutschland bekannt geworden. Seit meinem Wechsel nach Berlin ging es für mich immer bergauf.“

2012 gibt es das kleine Comeback von Barbarez im Union-Trikot. Der verlorene Sohn läuft in der Max-Schmeling-Halle für die Traditionsmannschaft beim Flex-Strom-Cup auf. Das Vorrundenaus kann auch Barbarez nicht verhindern, das Wiedersehen mit alten Weggefährten genießt er dennoch.

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