Ein Freistoß für die Unsterblichkeit

Torsten Mattuschka wurde beim 1. FC Union zur lebenden Legende

Autor: Matze Koch

Legendenstatus: Torsten Mattuschka bei der Aufstiegsfeier an der Alten Försterei 2019. Foto: Koch

Seit fast sechs Jahren spielt Torsten Mattuschka nicht mehr für die Profis des 1. FC Union. Der 39-Jährige ist aber immer noch omnipräsent, wenn es um den Fußball in der Region und auf Bundesebene geht.

Das Union-Trikot trägt er weiterhin bei Turnieren der Traditionsmannschaft. Zudem wurde der frühere Mittelfeldmann aufgrund seiner nach wie vor großen Popularität auf der Mitgliederversammlung des Klubs im November 2019 zum Offiziellen Vereinsbotschafter für repräsentative Aufgaben ernannt. Beim TV-Sender Sky gehört er seit der Spielzeit 2019/20 zum Expertenstab für die Studio-Live-Sendungen der 2. Bundesliga. Das soll auch in der kommenden Saison so bleiben.

Den Bezug zur Basis hat Mattuschka aber nicht verloren. Beim Regionalligisten VSG Altglienicke, wo er 2018 seine aktive Karriere beendete, fungiert er seit zwei Jahren als Co-Trainer. Zusammen mit Chefcoach Karsten Heine führte er die Mannschaftin dieser Saison auf Platz eins und ins Halbfinale des noch nicht beendeten Landespokal-Wettbewerbes. Dass Lok Leipzig per Quotienten-Regelung zum Staffelsieger erhoben wurde, ärgert Mattuschka.

Dass er noch immer so gefragt ist, hat nicht nur mit seiner reinen Karriere zu tun. Es gibt sicher eindrucksvollere Zahlen als die von Mattuschka. Die aktuell drei höchsten Spielklassen betrachtet, stehen für den gebürtigen Cottbuservier Erstligapartien, 171 Zweitligaeinsätze (42 Tore) und 86 Spiele in der 3. Liga (sechs Tore) für Union und Energie Cottbus zu Buche.

Mattuschka ist aber kein Spieler von der Stange, ein Nachwuchs-Leistungszentrum hat er nie von innen gesehen. Der talentierte Offensivmann hätte es durchaus einfacher haben können, nachdem er 1988 den Sprung von der BSG Aufbau Merzdorf zu Energie Cottbus geschafft hatte. Doch 1996 musste er den renommiertesten Verein der Lausitz wegen schlechter schulischer Leistungen wieder verlassen.

Der Zug in Richtung Profifußball schien abgefahren zu sein, erst recht, weil er seine ersten Männerjahren beim SV Dissenchen (1998 bis 2001) im Speckgürtel von Cottbus nicht ganz so sportlich verbrachte. Bei der Ausbildung zum Maler und Lackierer lebte er auf Montage ungesund. An Wochenenden ließ er es mit seinen Kumpels krachen. Aber trotz seiner damals fast 100 Kilogramm Gewicht brachte es Mattuschka in der 7. Liga in 100 Spielen auf 100 Tore.

Sein Opa Heinz gab nicht auf und hielt den Enkel beim FC Energie im Gespräch. Tatsächlich durfte Mattuschka im Frühjahr 2002 zurückkehren. Unter Trainer Eduard Geyer speckte er zehn Kilogramm ab. Im Mai 2003 spielte Mattuschka sogar viermal inder Bundesliga mit. Der Durchbruch in Cottbus blieb jedoch aus. 2005 wagte er beim gerade erst in die damals viertklassige NOFV-Oberliga abgestiegenen 1. FC Union einen Neuanfang. Der fiel schwer. Unter Trainer Christian Schreier wurde Mattuschka zu wenig gefördert. Erst unter Nachfolger Uwe Neuhaus, der 2007 das Zepter in Köpenick übernahm, blühte Mattuschka nach und nach auf.

Mattuschkas großer Tag im Olympiastadion: Gemeinsam mit Santi Kolk (links) bejubelt er am 5. Februar 2011 seinen Freistoßtreffer zum 2:1-Sieg der Eisernen bei Hertha BSC. Foto: Koch
Von der Regionalliga über die 3. Liga bis in die obere Hälfte der 2. Bundesliga: Unter Trainer Uwe Neuhaus (links) erlebte Torsten Mattuschka seine sportlich erfolgreichsten Jahre. Foto: Koch

2009 stiegen Neuhaus, Mattuschka und Co. in die 2. Bundesliga auf. 2010 wurde Mattuschka Kapitän und spätestens jetzt das Gesicht von Union. Der Spaßvogel kommt immer gut an. Die Anhänger widmeten ihm sogar ein Lied, das sich ab der Saison2009/10 allmählich etablierte. Mattuschka verdankt es den Fans Leumi und Tino.

Der Köpenicker Tino nahm sich als großer Sympathisant von Manchester United eine Huldigung für Owen Hargreaves zum Vorbild. Dem früheren Mittelfeldspieler von Bayern München widmeten die ManU-Anhänger in der Saison 2007/08 ein Lied. Die Melodie nach dem Hit „Can‘t take my eyes off you“ von Gloria Gaynor trat bei Union Jahre später ihren Siegeszug an. Den Text kennt jeder im Stadion An der Alten Försterei: „Torsten Mattuschka, du bist der beste Mann. Torsten Mattuschka, du kannst, was keinerkann. Torsten Mattuschka, hau ihn rein für den Verein.“

Mattuschka tat es regelmäßig. Zehn direkte Freistoßtore und 19 verwandelte Elfmeter in Liga zwei weisen ihn als Spezialisten für ruhende Bälle aus. Ein Freistoßtor für die Unsterblichkeit gelang ihm am 5. Februar 2011. Vor 74.244 Zuschauern schoss er im ausverkauften Olympiastadion den 2:1-Sieg im Zweitliga-Stadtderby bei Hertha BSC heraus.

Damit begann die Hochzeit Mattuschkas bei Union. Bis 2014 absolvierte er 161 Zweitligaspiele für die Eisernen. Zusammen mit Sebastian Polter (beide 42 Treffer) ist Mattuschka Zweitliga-Rekordtorschütze des Klubs. 2013/14 wird mit zwölf Toren und zwölf Vorlagen Topscorer der 2. Bundesliga.
Das Ende der siebenjährigen Ära von Chefcoach Neuhaus im Mai 2014 überlebte Mattuschka allerdings nur wenige Monate bei Union. Neuhaus-Nachfolger Norbert Düwel vergraulte Mattuschka, der sich ungerecht behandelt fühlte. Mattuschkas Rückkehr nach Cottbus am 1. September 2014 bringt den Union-Kosmos für lange Zeit in Wallung. Nicht alle konnten Mattuschka verstehen.
Die Wogen glätteten sich erst nach und nach.

Am 2. September 2017 erhielt Mattuschka zusammen mit seinem langjährigen Mitstreiter Karim Benyamina ein Abschiedsspiel vor 14.125 Besuchern im Stadion An der Alten Försterei. Mattuschka hat schon zu Lebzeiten seinen Platz in den Union-Annalen gefunden. Mit 299 Pflichtspielen steht er auf Rang vier der ewigen eisernen Bestenliste.

Liebling der Union-Fans: Torsten Mattuschka mit Megaphon vor dem Gästeblock am Marathontor des Olympiastadions nach dem Derby-Triumph 2011. Foto: Koch

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