„Die beste Zeit beim besten Verein“

Karim Benyamina blickt mit Stolz auf seine Zeit bei Union zurück

Autor: Matze Koch

Die Anhänger des 1. FC Union müssen stark sein. Es ist gut möglich, dass mit Karim Benyamina ausgerechnet eine der Vereinslegenden der jüngeren Vergangenheit bald das Trikot von Hertha BSC überstreifen wird. Die Charlottenburger übernehmen zur neuen Saison die erfolgreichen Senioren der Spandauer Kickers, bei denen Benyamina seit Sommer 2019 zum mit zahlreichen Ex-Profis gespickten Ü32-Promi-Kader in der Verbandsliga gehört. „Es ist möglich, dass wir rübergehen. Ich muss aber erst einmal meine Unioner fragen, ob ich darf“, sagt Benyamina artig.

Der Stürmer ist inzwischen 38 Jahre alt. Vor einem Jahr hat er beim Oberligisten Tennis Borussia seine aktive Laufbahn beendet. Seine letzte große Partie war das Berliner Pokalfinale gegen Viktoria 89 am 25. Mai 2019. Die 0:1-Niederlage tat dem gebürtigen Dresdner mit algerischen Wurzeln weh. Es flossen wohl auch Tränchen.
Der Fußball spielte in den letzten Jahren aber nicht mehr die Hauptrolle, auch wenn Benyamina beim Berliner AK (2014 bis 12/2015), Viktoria 89 (1/2016 bis 12/1217) und danach bei TeBe in der vierten und fünften Spielklasse noch die eine oder andere Mark machte. Seit 2015 versucht er sich auch als Gastronom. „The Paris“, seine erste Bar in Wilmersdorf, ist inzwischen Geschichte. Am Kurfürstendamm betreibt er inzwischen mit dem „Flowers“ eine neue Lokalität.

Erfolgreiche Zeiten: Union-Boss Dirk Zingler mit Benyamina im November 2006. Foto: Koch
Auf den Schultern seiner Mitspieler: Nach dem 2:0 gegen den FSV Frankfurt wird Karim Benyamina im April 2011 mit einem Erinnerungstrikot im Algerien-Grün vom 1. FC Union verabschiedet. Foto: Koch

In unmittelbarer Nachbarschaft soll schon bald sein Burger-Laden öffnen. „Wir wollten längst aufmachen, aber die Corona-Krise hat das alles ein bisschen gebremst“, erklärt Benyamina. Auf der Baustelle packt er viel selbst an. Er sei eigenen Worten zufolge ein guter Handwerker.

Benyamina ist Berlin treu geblieben. Hier ist er im Märkischen Viertel aufgewachsen. Beim Kicken auf Bolzplätzen und in den Jugendjahren bei Normannia 08 und dem 1. FC Lübars holte er sich den Grundstock für die ersten Männerserien beim BAK(2000/01), den Reinickendorfer Füchsen (2001 bis 2004) und Babelsberg 03 (2004/05).

Als er 2005 zu Union kam, waren die Eisernen gerade erstmals in die damals viertklassige NOFV-Oberliga abgestiegen. Von Liebe auf den ersten Blick kann keine Rede sein. Benyamina schoss zwar am 21. August 2005 beim legendären 8:0 gegen den BFC Dynamo drei Tore. Keine vier Wochen später musste er sich nach der 2:3-Niederlage beim MSV Neuruppin jedoch auch üble Beleidigungen von Union-Fans gefallen lassen.

Vielleicht hat ihn das stark gemacht. Fünfzehn Tore steuerte er zur Rückkehr in die drittklassige Regionalliga bei. Unter Trainer Uwe Neuhaus erlebte Benyamina ab 2007 seine besten Fußballer-Jahre. 2009 stieg er mit Union in die 2. Bundesliga auf. Zur Meisterschaft in der neu eingeführten 3. Liga trug Benyamina mit 16 Toren maßgeblich bei.

In der 2. Bundesliga zerschoss Benyamina nicht unbedingt die Netze bei jeder Begegnung. Aber seine Ausbeute 2009/10 (28 Spiele, sechs Tore) und 2010/11 (29, sieben) konnte sich durchaus sehen lassen.

Als Union-Profi erfüllte er sich auch einen Lebenstraum. Am 17. November 2010 lief er im Luxemburger Stadion Josy Barthel gegen Luxemburg (0:0) in seinem ersten von insgesamt zwei Länderspielen für Algerien auf. „Ich bin Nationalspieler. Das kann mir keiner mehr nehmen“, sagte Benyamina damals nach seinem 80-minütigen Debüt.

Bei Union ging es zum Leidwesen von Benyamina im Sommer 2011 nicht weiter. Sein Vertrag wurde nicht verlängert. „Ich weiß, was ich Karim zu verdanken habe. Er war mit seinen Toren ein unglaublich wertvoller Spieler“, sagte Trainer Neuhaus, auch wenn er nicht mehr mit ihm plante. Mit 87 Pflichtspieltreffern ist Benyamina bis heute Rekordtorschütze des Vereins seit 1966. Seine damalige Trikotnummer 22 wird deshalb seit neun Spielzeiten nicht mehr vergeben. Die sechs Jahre bei Union will Benyamina nicht missen: „Es war die beste Zeit meiner Karriere beim besten Verein.“

Wir sind die Neuen: Benyamina Ende Juni 2005 beim Trainingsauftakt für die NOFV-Oberliga mit v.l. Jörg Schwanke, Jörg Heinrich, Torsten Mattuschka, Daniel Teixeira und Tobias Kurbjuweit.
Rekordtorschütze des 1. FC Union: Hier trifft Karim Benyamina (links) am 7. November 2010 in der Nachspielzeit zum 2:1-Endstand gegen Rot-Weiß Oberhausen. Foto: imago images/Camera 4/Koch

Die Phase nach Union beim damaligen Zweitligisten FSV Frankfurt (2011/12: 21 Spiele, drei Tore) und Drittligisten Karlsruher SC (2012 bis 12/2013: 13 Spiele, kein Tor) sowie in Algerien bei MC El Eulma (Januar bis Sommer 2014) verlief weniger erfolgreich. Benyamina vermisste die Berliner Luft.

Der Kontakt zu Union riss nie ab. Benyamina spielt inzwischen auch für die Traditionself des Vereins. Zudem bekam er gemeinsam mit Torsten Mattuschka am 2. September 2017 ein Abschiedsspiel. 14.125 Besucher im bestens gefüllten Stadion An der Alten Försterei sahen ein 9:9-Unentschieden zwischen den Union-Profis und der „Karim, Tusche & Freunde“-Auswahl.

Im Frühsommer 2019 nahm Benyamina zusammen mit den Alt-Unionern Mattuschka und Ronny Nikol an den ausschweifenden Feierlichkeiten des Vereins nach dem Aufstieg in die Bundesliga teil. „Die Hinrunde war ganz gut. Nach Corona sind sie schlecht wieder reingekommen“, sagt Benyamina zur aktuellen Lage. Er hofft natürlich auf den Ligaverbleib. Dann könnte er endlich mal ein Bundesligaspiel von Union live sehen. Bislang fehlte ihm dafür die Zeit.

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